Wer kann die Löcher in der Chronik stopfen?
Kreismusikschule bereitet buntes Programm und Ausstellung zum 65. Jubiläum vor
Wolgast (AK/olm). Eine besondere Lektüre lag in den vergangenen Monaten auf dem Nachttisch von Marika Guddat. Die Musikschulleiterin schmökerte ausgiebig in den alten Brigadebüchem und Chroniken der Einrichtung. Anlass dafür war das 65. Jubiläum, das die Kreismusikschule Wolgast-Anklam in diesem Jahr feiern kann. „Wir sind die erste nach dem Krieg in Ostdeutschland gegründete Musikschule“, macht sie deutlich. An die heute knapp 1100 Schüler von heute war damals allerdings noch nicht zu denken.
In der von Erich Beltz 1948 in Heringsdorf gegründeten privaten Volksmusikschule wurden insgesamt 39 Mädchen und Jungen, vor allem im Streicherbereich, unterrichtet. Ausdrücklich betont wurde dabei, dass es sich um 21 Kinder aus Arbeiter- und Bauernfamilien handelte, während zwölf Kinder der fortgeschrittenen Intelligenz entstammten und sechs unter sonstige fielen. Die damals zu zahlenden Gebühren lagen je nach Einkommen der Eltem zwischen zwei und zehn Mark im Monat. Schon 1950 wurde die Schule verstaatlicht und 1953 in Volksmusikschule Wolgast-Heringsdorf umbenannt. Damals war die Schülerzahl schon auf 245 gestiegen. Einen weiteren Sprung auf 450 Schüler brachte 1968 der Zusammenschluss mit Greifswald. „Damals hatte Wolgast übrigens mit 295 Schülern deutlich mehr als Greifswald mit nur rund 150“, weiß Guddat. Schon zu dieser Zeit waren übrigens die Fahrwege zur Musikschule das größte Problem. In einem Eintrag aus dem Jahr 1973 wurde über das lange Warten an den kalten Bushaltestellen gejammert. Dabei gab es damals nur drei Unterrichtsorte und nicht wie heute 26. Schließlich wurde extra für den Schülertransport ein B 1000 angeschafft, der aber auch öfter ausfiel. Es finden sich in den Unterlagen nämlich auch alte Telegramme mit dem Wortlaut: „Bitte mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, B 1000 kaputt.“
Im Jahr 1983 trennten sich Wolgast und Greifswald wieder - aus welchem Grund, ist heute nicht mehr ganz klar. Die damalige Kreismusikschule Wolgast startete mit 270 Schülern, kam bis zur Wende allerdings auf rund 500. In den 90-er Jahren verdoppelte sich diese Zahl vor allem durch die Einführung der musikalischen Früherziehung und den Zusammenschluss mit der Anklamer Musikschule, die 1996 130 Schüler und vier Lehrkräfte mitbrachte. So wurden 2012 insgesamt 399 männliche und 695 weibliche Schüler gezählt, von denen die Jüngsten vier Jahre und immerhin sieben älter als 65 Jahre waren. Für ihren Unterricht sorgen 21 hauptamtliche Lehrer und 16 Honorarkräfte. Unter ihnen sind übrigens einige, die einst selbst die ersten musikalischen Schritte in der Kreismusikschule machten. Neben Leiterin Marika Guddat gehören dazu Karola Baltsch, Cathleen Holz, Hans-Joachim Kruse, Esther Oelsner und Manfred Fretwurst. Zum Jubiläum würde sich Marika Guddat freuen, wenn sich viele ehemalige Schüler oder Lehrer an ihrer ehemaligen Wirkungsstätte melden würden. Denn einerseits gibt es einige Löcher in der Chronik, die zur Wende abbricht, andererseits ist zum Jubiläum eine kleine Ausstellung geplant, für die noch historische Fotos, aber auch kleine Anekdoten oder lustige Begebenheiten gesucht werden. „Wir haben zum Beispiel keine Aufnahmen vom Unterricht im alten Gebäude in der Schützenstraße“, macht sie deutlich. Gefeiert wird das Jubiläum diesmal nicht mit einer Festwoche, sondern mit Veranstaltungen an allen Hauptorten der Einrichtung. Zum Auftakt gibt es am 4. Mai ein Lehrerkonzert im Atelier Otto Niemeyer-Holstein, am 8. Juni folgt ein Hoffest mit Musik und Tanz in Anklam, bevor beim Open-Air-Konzert in Heringsdorf vor allem die Ensembles der Kreismusikschule vom Deutsch-Polnischen Akkordeonorchester über Bläserensemble bis zur Klezmerband ihren Auftritt haben. Die feierliche Festveranstaltung ist schließlich am 8. November im Wolgaster Saal der Musikschule geplant. „Dazu versuchen wir derzeit auch, ein Konzert der Ehemaligen auf die Beine zu stellen“, kündigt Guddat an. Wer dabei sein möchte, kann sich im Sekretariat der Musikschule, Telefon 03836 202413, melden. Und es sind ausdrücklich nicht nur die angesprochen, die später beruflich der Musik treu geblieben sind.
AnzeigenKurier, 17.04.2013