Mit Schifferklavier im Prüfungsstress
Manche leben für den Fußball, andere für die Musik. So wie Christopher. Er spielt seit zwölf Jahren Akkordeon und beweist sein Talent bei „Jugend musiziert“.
VON ANNIKA KIEHN
BANNEMIN. Wenn er gegen halb fünf Uhr nachmittags von seinem Zivildienst in Zinnowitz nach Hause kommt, legt sich Christopher Siebert nicht faul auf die Couch, sondern holt sein Akkordeon raus und übt darauf zwei bis vier Stunden. Zwischendurch wechselt er vielleicht nochmal zum Klavier. Wenn er mal eine Pause macht, dann nicht, um Fernsehen zu gucken. „Ich habe das Gefühl, das würde mir Zeit rauben“, sagt Christopher. Und davon hat er im Moment nicht so viel, denn er muss sich intensiv vorbereiten: auf seine Aufnahmeprüfungen an den Musikhochschulen und gleichzeitig für den „Jugend musiziert“-Wettbewerb am kommenden Wochenende.
Zeitmanagement ist für den 19-Jährigen sehr wichtig: Neben dem Zivildienst und dem täglichen Proben geht Christopher dreimal die Woche zum Unterricht in der Wolgaster Musikschule und singt nebenbei auch noch im Wolgaster Kammerchor „Cantare Continuo“. Der Stress ist es ihm wert: „Ich mache gern Musik, egal auf welchem Instrument.“ Aber auf dem „Schifferklavier“ fühle er sich zu Hause.
Durch seine Schwester Anne-Kristin sei er zu dem ungewöhnlichen Instrument gekommen. „Meine Schwester hat Akkordeon gespielt, als ich noch im Kindergarten war. Das hat mich total fasziniert“, sagt Christopher. Kaum war er eingeschult, wollte er es seiner Schwester endlich gleichtun. Seit zwölf Jahren übt der 19-Jährige nun fast täglich auf dem Handzuginstrument. Vor rund zweieinhalb Jahren hat er noch mit dem Klavierspielen angefangen, nachdem er zuvor sieben Jahre lang Schlagzeug gespielt hat.All das braucht er für die Qualifikation als Musiklehrer. Freizeit hat er daher im Moment kaum - die Aufnahmeprüfungen an den Musik-Hochschulen haben Vorrang. Ein Prüfer der Hochschule für Musik Franz List in Weimar habe ihm bereits Talent attestiert. „Er meinte, dass ich das Niveau für den Studiengang Konzertakkordeon hätte. Die Voraussetzungen dafür sind noch um einiges anspruchsvoller als für das Lehramt“, sagt Christopher stolz.
Eine Bestätigung hat er aber dennoch nicht. Darum will er morgen zur Aufnahmeprüfung der Hochschule für Musik nach Detmold, wo auch seine Schwester studiert. Von ihr habe Christopher bereits gutes Insider-Wissen über die Auswahlmethoden und hofft so, sich für den Studiengang zu qualifizieren.
Nach der Aufnahmeprüfung an der Hochschule von Donnerstag bis Freitag, kommt er am Sonnabend wieder, um sein Talent nochmal bei „Jugend musiziert“ zu zeigen. Trotz des Drucks bleibt Christopher gelassen. „Ich bin daran gewöhnt, viel um die Ohren zu haben“, sagt er. Vor sechs Jahren hat er sich bei dem Wettbewerb auf Landesebene beweisen können. „Die Teilnahme sehe ich als eine Art ,Sahnehäubchen'“, sagt er. Beim Bundesausscheid des Deutschen Akkordeon-Musikpreises in Baden-Baden im Juni vergangenen Jahres hat er mit Auszeichnung bestanden.
Angesichts seines Arbeitspensums ist Christopher dankbar, dass ihm seine Familie stets den Rücken stärkt. Aber auch für die Unterstützung seiner Lehrer, sowohl denen am Gymnasium als auch an der Musikschule, ist Christopher sehr dankbar. „Meine Lehrer haben mich immer bestärkt, und auch an der Musikschule fühle ich mich sehr gut aufgehoben und gefördert“, sagt er.
Neben der Musik nimmt sich Christopher aber auch mal eine sportliche Auszeit auf dem Fahrrad. Vergangenen Sommer ist er zwei Wochen lang allein zum Bodensee geradelt.
Wenn er demnächst eine Woche frei hat, will er nach Schweden zu seiner Freundin Maja. „Sie und ich zusammen sind das totale Abenteuer“, sagt er über seine Beziehung zu der Skandinavierin, die er über das Internet kennengelernt hat. Mit der Entfernung könnten beide gut leben. Wie es im Herbst weitergehen soll, wenn Christopher an die Uni gehen sollte, weiß er noch nicht genau. „Alles noch in Planung“, sagt er und schmunzelt.
Nordkurier, 27.01.2010